bookmark_borderMein Bruder

Mein Bruder, mein Bruder, was lächelst du nicht?
Mein Bruder, mein Bruder, so starr dein Gesicht!
Mein Bruder, mein Bruder, ich lieb dich so sehr –
Doch wärst du am Leben, ich liebte dich mehr.

Mein Vater hat mir einen Bruder geschenkt,
den lieb ich, egal was die Welt von ihm denkt.
Der regt nie die Hände, der schweigt immer still,
doch nie einen anderen Bruder ich will.

Die Haut meines Bruders ist Leder, so weich,
sein kunstvoll gemaltes Antlitz bleibt bleich.
Ganz fein sind die Stiche, man sieht keine Naht –
Im Innern sind Rädchen und Schrauben und Draht.

Mein Bruder, mein Bruder, was lächelst du nicht?
Mein Bruder, mein Bruder, so starr dein Gesicht!
Mein Bruder, mein Bruder, ich lieb dich so sehr –
Doch wärst du am Leben, ich liebte dich mehr.

Nur Zauber kann helfen, daß mein Bruder lebt,
und so wird das mächtigste Spruchwerk gewebt.
Da rührt er die Beine, die Arme, den Rumpf –
bewegt sich und spricht, doch die Seele bleibt stumpf.

Er kennt keine Freude, er kennt keinen Schmerz,
ist er nun ein Mensch, oder hat er kein Herz?
Und das, was er redet, ist garstig gemein,
doch ist er mein Bruder, und wird es stets sein.

Mein Bruder, mein Bruder, was lächelst du nicht?
Mein Bruder, mein Bruder, so starr dein Gesicht!
Mein Bruder, mein Bruder, ich lieb dich so sehr –
Doch wärst du am Leben, ich liebte dich mehr.

Was er in die Hand nimmt, das ist bald entzwei,
dann lächelt er nur, zeigt auf jedes Detail.
Und kommt der Moment, wo ein Junge nicht hört:
Was man nicht erziehn kann, wird besser zerstört.

Da liegt nun das Ding, das mein Bruder einst war:
Geborstene Federn, ein Büschel wie Haar.
Er war eine Puppe, die Puppe ist hin,
und bleibt doch stets der dessen Bruder ich bin.

Mein Bruder, mein Bruder, was lächelst du nicht?
Mein Bruder, mein Bruder, so starr dein Gesicht!
Mein Bruder, mein Bruder, ich lieb dich so sehr –
Doch wärst du am Leben, ich liebte dich mehr.

Inspired by a scene of the Polish children’s book »Mr. Inkblot’s Academy«:
The story of two brothers, one of whom happens to be an automaton

The song with chords as a PDF
The song in Chordpro format

Lyrics and tune © 2012 by Thesilée

bookmark_borderFion und Davy

Zwei Brüder erbauten ein Haus sich aus Stein
in den Bergen so hoch, in den Bergen so kalt.
Der eine saß nachts mit den Büchern allein,
der andre saß unten mit Freunden beim Wein,
und wenn dort ein Kind lacht, so wird es nicht alt.

Herr Fion war finster, so schwarz wie die Nacht
in den Bergen so hoch, in den Bergen so kalt.
Es dürstet sein Herz nach verstohlener Macht,
und niemand sah jemals, dass er mal gelacht,
und wenn dort ein Kind lacht, so wird es nicht alt.

Herr Davy war froh und so hell wie der Mond
in den Bergen so hoch, in den Bergen so kalt.
Er hat auf der Jagd keine Gemse verschont
und hätte am Liebsten im Wirtshaus gewohnt,
und wenn dort ein Kind lacht, so wird es nicht alt.

Doch eins hatten beide im Herzen gemein,
in den Bergen so hoch, in den Bergen so kalt.
Jung Lioba sollte die ihrige sein,
und jeder sprach bei sich: »Ach, wär sie doch mein!«
Und wenn dort ein Kind lacht, so wird es nicht alt.

Einst ritt Junker Davy hinaus auf die Jagd
in den Bergen so hoch, in den Bergen so kalt.
Er hat seinem Bruder Lebwohl nicht gesagt,
und der hat nicht nach seiner Rückkehr gefragt.
Und wenn dort ein Kind lacht, so wird es nicht alt.

So gingen die Monde, der Himmel war grau
in den Bergen so hoch, in den Bergen so kalt.
Herr Fion nahm Jungfer Lioba zur Frau –
er kannte das Grab seines Bruders genau,
und wenn dort ein Kind lacht, so wird es nicht alt.

Doch kalt war die Nacht, als die Eiswinde wehn
In den Bergen so hoch, in den Bergen so kalt.
Man sah Davys Schemen im Türeingang stehn
Und Fion war nicht mehr im Leben gesehn
Und wenn dort ein Kind lacht, so wird es nicht alt.

Und Davy kommt wieder in Nebel und Wind
in den Bergen so hoch, in den Bergen so kalt.
Er reitet die Jagd wie der Teufel geschwind,
und hört man sein Heulen, fehlt bald schon ein Kind.
Und wenn dort ein Kind lacht, so wird es nicht alt.

 

I don’t usually run role-playing adventures, but when I do, I don’t do things by halves: I wrote this song just so that our bard could come up with it after a successful bardic knowledge roll. This is the story of two estranged brothers, one of whom makes a pact with the Fae to get rid of the other. But failure to provide a first-born to honor the deal proves fatal…

The song with chords as a PDF
The song in Chordpro format

Lyrics and tune © 2007 by Thesilée